Herschberg. Olympia-Premiere für Christin Hussong. Die Deutsche Meisterin bestreitet heute Nacht, wenn es schon Mittwoch ist (1.35 Uhr), bei den Olympischen Spielen die Qualifikation im Speerwurf. Für die 22-Jährige vom LAZ Zweibrücken erfüllt sich ein Traum. Das jedenfalls sagte sie kurz vom Abflug nach Rio bei einem Spaziergang mit der RHEINPFALZ – und ihrem aus einem ganz bestimmten Grund beleidigten Hund Benni.

Dass ihre Familie, Freunde und Fans nicht nur heute Nacht die Fernseher eingeschalten, sondern auch in der von Donnerstag auf Freitag (2.10 Uhr), um sie werfen zu sehen, das wünscht sie sich. „Dann wäre ich im Finale und da will ich in jedem Fall hin.“ „Unfassbar“ sei es eigentlich, dass sie in Rio dabei ist, und doch war sie gelassen vor ihrem Abflug. „Meine Mama hat schon gesagt, ich glaube, du hast das noch gar nicht richtig realisiert“, erzählt sie, während Benni neugierig die Wege erkundet. Einen Golden Retriever zu haben, „das habe ich mir immer gewünscht“, verrät sie. Drei Jahre ist Benni jung.

Olympia sei speziell. Nicht in einem Hotel untergebracht zu sein, sondern mit anderen Sportlern im olympischen Dorf, „das ist was Besonderes. Wenn man dort zum Beispiel Michael Phelps sieht“, beschreibt die 22-Jährige die einzigartige Aura. Der Wettkampf selbst, „wird ein Wettkampf wie jeder große Wettkampf sein“. Die Sportstudentin hat international Erfahrung gesammelt, weiß, dass alles passieren kann. „Der Speer ist anfällig“, sagt sie lachend. Wenn sie ihn trifft, „ist alles möglich“, hat sie mit ihrem Sportgerät viele unglaublich positive Momente erlebt. „Aber es kann ja auch total in die Hose gehen.“

Letzteres hat sie bei der Europameisterschaft im Juli erlebt. Da scheiterte die Herschbergerin in der Qualifikation. Thema aufgearbeitet. „Wichtig war zu sehen, dass es nicht an der Form lag, dass die Vorbereitung auf Olympia richtig ist.“ Im Idealfall drei Wettkämpfe als sportliche Höhepunkte hatte sie zu Jahresbeginn auf dem Plan: deutsche Meisterschaften, Europameisterschaft und Olympia. Ein Wettkampf laufe dann erfahrungsgemäß nicht optimal. „Bei mir war das eben die Europameisterschaft“, sagt Hussong gelassen. Wichtiger war ohnehin: „Es war klar, dass ich nur nach Rio fliege, wenn ich Deutsche Meisterin werde.“ Zu groß ist die Weltklasse-Konkurrenz im deutschen Speerwurf. „Ich bin die Jüngste, das wäre dann sicher Thema gewesen“, weiß sie. Deshalb habe der Fokus zunächst klar auf der DM gelegen. Mit ihrer persönlichen Bestleistung von 66,41 Meter katapultierte sie sich auf das oberste Treppchen – und nach Rio. Seither liegt der Fokus auf Olympia. Dort möchte sie mindestens einen Speer wieder so treffen, wie bei der DM in Kassel.

Max Sema, Handballer des SV 64 Zweibrücken, ist gerade als Betreuer bei einer Ferienfreizeit in Herschberg an der Bürgerhalle. Großes Hallo, man kennt sich. Sema verrät: „Ein Freund von mir hat auf dich gewettet.“ Zehn Euro habe er eingesetzt. 100 Euro würde Semas Freund bekommen, wenn Hussong die Goldmedaille gewinnt. „Ich würde sie ihm gönnen“, sagt Christin lachend.

Als die ersten Athleten, die schon vor der Eröffnungsfeier im olympischen Dorf einzogen, Bilder von dort posteten, „fing es an stärker zu kribbeln“, erzählt sie. Vorolympische Erfahrungen hat sie 2010 gesammelt. Bei den ersten Olympischen Jugendspielen in Singapur war sie am Start, wurde Vierte. Die Ukrainerin Kateryna Derun, die in Singapur gewann, wird in Rio auch starten. Etwa zehn Sportler, auch aus anderen Disziplinen, kennt Hussong, die 2010 gemeinsam mit ihr den Traum von Olympia träumten und ihn sich in Rio erfüllen. Sie hat Kontakt gehalten. Zu Judokas, zu Boxern. „Die müssen ja noch abspecken vor ihren Wettkämpfen.“, erzählt sie. Richtige Ernährung gehört auch zum Sport. Deshalb sind die Lyonerstückchen, die sie dabei hat, Belohnung für Benni.

„Viel Glück Christin“, wird ihr an der Bürgerhalle gewünscht. In Herschberg hat sie Ruhe. „Hier bin ich einfach nur Christin.“ Stadtfest in Zweibrücken, Dorffest in Thaleischweiler-Fröschen, kurz vor Olympia war auch dafür noch Zeit. Zwei Wochen verbrachte sie mit ihrem Papa und Trainer Udo im Trainingslager in Kienbaum, trainierte bis zum Abflug dann aber wieder in Zweibrücken.

Als sie aus Kienbaum zurückgekommen seien, habe sich Benni riesig gefreut. „Als wir die Kleidung vom Deutschen Olympischen Sportbund gerichtet haben, die wir in Rio tragen, war er sofort beleidigt. Er hat wohl gedacht, wir fahren gleich wieder weg“, verrät sie lachend. Ein paar Tage konnten Benni und Christin gemeinsam verbringen. Oma Liesel und Christins Freund Richard werden sich um Benni kümmern, wenn die Speerwerferin in Rio ist. Dass Udo Hussong als zweiter Trainer neben Bundestrainer Helge Zöllkau offiziell mit nach Rio fliegt, „ist natürlich klasse für mich“. Mama Gaby und Schwester Michelle werden auch vor Ort sein.

Hussong hofft, dass sie die Chance bekommt, auch ein bisschen was von Rio zu sehen. „Es ist ja nicht nur meine Olympia-Premiere, ich bin auch zum ersten Mal auf dem amerikanischen Kontinent“, freut sie sich darauf. Und auf die Abschlussfeier der Spiele, bei der sie im Stadion dabei sein wird. Sie hofft, andere olympische Wettbewerbe sehen zu können. „Nach dem Finale“, sagt sie schmunzelnd. Deutschland im Handball-Endspiel zum Beispiel, „das wäre was“.

Zur Person:

Christin Hussong

  • geboren am 17. März 1994

  • Wohnort: Herschberg

  • Disziplin: Speerwurf

  • Verein: LAZ Zweibrücken (seit Herbst 2012, zuvor TV Thaleischweiler)

  • Beruf: Studentin der Sportwissenschaften in Saarbrücken, zurzeit im Urlaubssemester

  • Trainer: Udo Hussong

  • Erfolge: U18-Weltmeisterin in Lille 2011, Silber bei U20-EM in Rieti, EM-Siebte 2014 in Zürich (Einstand Aktive), Deutsche U23-Meisterin 2015, U23-Eu- ropameisterin 2015 mit 65,60 Metern, WM-Sechste 2015 in Peking, Deutsche Meisterin 2016 - Bestweite: 66,41 Meter (Juni 2016, DM in Kassel)

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
05.–21.08.2016 Olympische Sommerspiele 2016 Rio de Janeiro (Brasilien)