Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat keine Mühen und Kosten gescheut, um seinen Athleten, die 2020 auf Olympische Spiele und Europameisterschaften verzichten müssen, wenigstens nationale Titelkämpfe anzubieten. „Deutsche Meisterschaften sind jedes Jahr der zweitwichtigste Wettkampf. Ich bin sehr dankbar, dass es sie gibt“, sagt Stabhochspringerin Lisa Ryzih.

Braunschweig. „Ich finde es richtig gut, dass es unser Verband geschafft hat, die Meisterschaften auf die Beine zu stellen. So ist das ein kleiner Hoffnungsschimmer für uns alle in dieser schwierigen Saison“, sagt die treue Athletin des ABC Ludwigshafen vor den Titelkämpfen am Samstag und Sonntag in Braunschweig. Zuschauer sind nicht zugelassen, aber aufgrund eines 45-seitigen, sehr gut ausgearbeiteten Hygienekonzeptes sind sportlich reibungslose Wettkämpfe möglich, sogar die Mittelstreckenläufe mit „Nahkämpfen“ sind erlaubt.

Noch hat Lisa Ryzih keinen Überflieger-Wettkampf in 2020 geschafft, dafür aber bereits neun deutsche Meistertitel in der Tasche. In Braunschweig könnte am Samstag der zehnte folgen. „Nationale Titel haben mir schon immer sehr viel bedeutet“, bekennt die 31-Jährige, „ich bin sehr motiviert.“

Mit seinen Wettkämpfen für „Geister-Meister“ entgeht der DLV großen Einbußen, weil er auf Fernseh- und Sponsorengelder zählen kann. „Der Verlust wäre im hohen sechsstelligen Bereich gewesen“, sagte DLV-Präsident Jürgen Kessing am Mittwoch in einer Videoschalte mit Journalisten. Die ARD überträgt am Samstag (17 bis 19.50 Uhr), das ZDF am Sonntag (17.10 bis 18.50 Uhr).

Knapp 500 Teilnehmer starten in den 34 Wettbewerben. Zusammen mit Betreuern, Kampfrichtern, Ordnern und Journalisten dürfen nicht mehr als 999 Personen gleichzeitig im Stadion sein. Das heißt, der Verband musste beide Tage in zwei Blöcke teilen, um den Ablauf zu sichern. Die olympische Kernsportart gilt in Deutschland als Vorreiter, nur in den Mannschaftssportarten Fußball und Basketball wurden in dem durch den Coronavirus lahmgelegten Sportbetrieb des Jahres 2020 bisher Meistertitel vergeben. Nationale Leichtathletikmeisterschaften gibt es an diesem Wochenende aber auch in zehn anderen europäischen Ländern, die Trials in den USA werden indes nicht ausgetragen.

Nicht alle deutschen Leistungsträger gehen an den Start. Sie verzichten, weil sie verletzt sind oder weil ihnen die Titelkämpfe in einem an sich bedeutungslosen Sportjahr nicht ins Konzept passen. Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler genießt zum einen das Vaterdasein, zum anderen feilt er an seiner Technik. Konstanze Klosterhalfen, die im vergangenen Jahr im Berliner Olympiastadion so sehr gefeiert wurde, kam erst sehr kurzfristig aus den USA nach Europa. Auch Olympiasieger Christoph Harting, Sprint-Ass Gina Lückenkemper und Christina Schwanitz, die WMDritte im Kugelstoßen, sind nicht dabei.

In vielen Disziplinen werden junge Leute die Gunst der Stunde nutzen, um ins Rampenlicht zu kommen. So auch die Hammerwerferin Samantha Borutta (TSG Mutterstadt), die heute 20 Jahre alt wird und trotzdem ihrem Alltag nachgeht: Sie trainiert und bereitet sich auf das Duell mit Carolin Paesler vor, die vor zwei Wochen 69,80 Meter vorlegte.

Borutta kommt mit ihren 69,00 Metern, die sie Ende Juni in Berlin-Marzahn warf, ins Eintracht-Stadion. In Frankfurt warf sie letzte Woche 67,84 Meter. „Die Form stimmt, sie ist stabil, ich konnte problemlos trainieren“, sagte Borutta, die nicht die Favoritin ist und deshalb unverkrampft werfen kann. „Schade ist, dass nur meine Mama als Trainerin mit ins Stadion darf, mein Papa, der ja auch mein Trainer ist, muss vor dem Stadion warten“, erzählte sie. Peter Borutta ist quasi ein „Opfer“ des Hygienekonzepts.

Aussichtsreich im Rennen um Medaillen sind aus der Pfalz zudem Speerwurf-Europameisterin Christin Hussong und Stabhochspringer Raphael Holzdeppe (beide LAZ Zweibrücken), der die beiden Youngster Lamin Krubally und Oleg Zernikel (beide ASV Landau) mit im Wettbewerb weiß. Hanna Klein (1500 m) aus Edenkoben, Ricarda Lobe (100-m-Hürden) aus Landau und Yemisi Ogunleye (Kugelstoßen) aus Bellheim werden in die Medaillenkämpfe eingreifen können.

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
08.–09.08.2020 Deutsche Meisterschaften 2020 Braunschweig (Deutschland)