Braunschweig. Die Athleten hätten ein kleines Vermögen gegeben für eine ähnlich angenehme Klimatisierung wie jene, die im WM-Stadion von Doha von außen so scharf kritisiert worden war. 37 Grad zeigte das Thermometer in Braunschweig, das war heftig. „Die Temperaturen sind für uns alle herausfordernd, auf der Bahn stand die Hitze, unglaublich“, sagte 800-Meter-Läuferin Christina Hering. Und Frank Busemann, der ARD-Experte und Ex-Zehnkämpfer, kommentierte die Laune drückenden, unsichtbaren Partner der Hitze, die Geister, grinsend: „Jeder hat schon Landesmeisterschaften mitgemacht, die sehen ja genauso aus. Eine gewisse Gespenstigkeit lässt sich nicht leugnen.“

Er meinte wohl regionale Titelkämpfe, die sonst den nationalen Meisterschaften vorgeschaltet sind. Nur dieses Mal, in diesem Coronavirus-Jahr 2020, ist alles anders: eine DM als Saisonauftakt am eigentlichen Olympia-Schlusswochenende – verrückter geht es nicht! Und dann auch noch ohne Bratwurstduft, ohne Siegerehrungen und ohne Zuschauer.

Kein Jubel, kein Aufschrei beim Sieg von 100-Meter-Jungstar Denis Almaz (23) aus Calw zum Ausklang des ersten DM-Tages in Braunschweig. Der deutsche Hallenmeister besiegte in 10,09 Sekunden Joshua Hartmann (10,23) und Julian Reus (10,26). Kein rhythmisches Klatschen, etwa beim Stabhochsprung. Die Musik übertünchte die Totenstille nur scheinbar – trostloser geht es nicht. Dafür hatte es Seltenheitswert, dass in Stefanie Dauber und Ria Möllers gleich zwei Meisterinnen, die über 4,40 Meter flogen, ihre Titelpremiere feierten und der altgedienten Lisa Ryzih (4,30) vom ABC Ludwigshafen, die seit 2014 viermal gewonnen hatte, den Titel wegschnappten.

Die pfälzischen Fahnen hielten Ricarda Lobe und Christin Hussong mit ihren tollen Goldmedaillen hoch. Nach Bronze und zweimal Silber gewann die 26 Jahre alte Lobe aus Landau im Trikot der MTG Mannheim ihren ersten Meistertitel über 100 Meter Hürden. In 13,24 Sekunden. „Ich bin mit der Zeit und dem Lauf nicht zufrieden, doch für den Zeitpunkt und das ganze Auf und Ab in der Saison ist es okay“, sagte Lobe. Pamela Dutkiewicz war im Vorlauf an Hürde acht gescheitert.

Bei den Männern ein Hammerlauf: Matthias Bühler (34) holte seinen achten Titel seit 2009. Und das nach seinem Rücktritt vom Rücktritt und erstmals ohne Fanclub. Wahnsinn.

Ihren vierten Titel seit 2016 gewann Christin Hussong (LAZ Zweibrücken). Die 26 Jahre alte Herschbergerin siegte mit über acht Metern Vorsprung. Ihre 63,93 Meter aus dem zweiten Versuch können sich international sehen lassen. „Ich hatte mir vorgenommen, weiter zu werfen, bei diesen Bedingungen sind die 63 aber gut. Ich bin dankbar für diesen kleinen Jahreshöhepunkt, ohne ihn hätte ich die Saison vielleicht abgebrochen. Ohne Zuschauer war es schon komisch“, sagte Hussong. Stark: Yemisi Ogunleye (22) aus Bellheim holte Kugel-Bronze (16,62 Meter) zur MTG Mannheim.

Die fünfmalige Meisterin in Folge, Europameisterin Gesa-Felicitas Krause (28), musste nach 2000 Metern den Weg zum 3000-Meter-Hindernistitel für die gleichaltrige Elena Burkard freimachen. Die Schwarzwälderin, die seit Kurzem Pharmaziewissenschaften in Tübingen studiert und deshalb bei der Lauffamilie Baumann untergekommen ist, war noch im März bei Reha-med in Herxheim nach Problemen an der Plantarsehne fitgemacht worden. Sie siegte in 9:50,31 Minuten. „Unglaublich! Ich hatte ein schweres letztes Jahr. Jetzt freue ich mich umso mehr, dass es heute geklappt hat“, sagte Burkard. Der Dank dürfte vor allem an Johannes Eisinger in Herxheim gegangen sein.

Krause, gerade mit schweren Beinen aus dem Höhentrainingslager in Davos gekommen, schlich traurig von der Bahn. „Es fällt mir gerade schwer, das, was passiert ist, in Worte zu fassen. Es ging von Anfang an wenig. Wir waren nicht schnell unterwegs. Es kam aber heute alles zusammen, Klimawechsel, heiße Temperatur, schwere Beine. Es war nicht mein Tag, aber ich bin auch nur ein Mensch“, musste ausgerechnet jene Athletin gestehen, die sich so sehr stark gemacht hatte, dass die Mittel- und Langstrecken ins Programm kamen. Dann gab sie im Glutofen von Braunschweig auf. Wie tragisch.

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
08.–09.08.2020 Deutsche Meisterschaften 2020 Braunschweig (Deutschland)