Das Ringen ums Wettkampfgefühl
Leichtathletik: Das Wort Olympianorm fiel kein einziges Mal, einen Meisterschaftsrekord gibt’s auch nicht. Aber die Weltmeister Johannes Vetter und Malaika Mihambo verzücken das Publikum – vor dem Fernseher. Bei den außergewöhnlichsten von 120 deutschen Meisterschaften gewinnt Hanna Klein die 1500 Meter.
Braunschweig. Einen WM-Titel hat David Storl (30) den beiden amtierenden Weltmeistern voraus, und gestern ließ der Kugelstoßer seinen neunten nationalen Titel anschreiben – mit 20,17 Metern. Diese Sammlung werden Malaika Mihambo (26) und Johannes Vetter (27) eher nicht schaffen, aber daran denken sie auch gar nicht.
Warum sollten sie? Mit 87,36 Metern warf Johannes Vetter europäische Jahresbestleistung, seiner Verletzung am Wurfarm, den er gut verpackt hatte, zum Trotz und bot neben den 2,28 Metern von Hochspringer Mateusz Przybylko die beste Leistung am zweiten und letzten Tag der zuschauerlosen Meisterschaften in Braunschweig. Er schlug den Mannheimer Andreas Hofmann (77,35 m), dessen Teamkollegin Jessica-Bianca Wessolly in 23,07 Sekunden gewann. Vetter war zufrieden: „Eine super Weltklasse-Performance mit starker Serie. Wäre der Belag nicht so weich gewesen, wäre es noch drei, vier Meter weiter gegangen.“
Malaika Mihambo kämpfte nebenan wie gewohnt mit dem Brett, verschenkte meistens 30 Zentimeter, lief eh nur mit 16 statt mit 20 Schritten an. Viel war also nicht zu erwarten bei dieser Saisonpremiere. Von Versuch zu Versuch steigerte sie sich bis hin zu den 6,71 Metern im fünften Versuch und siegte vor Maryse Luzolo (6,40 m). „Das mit den Schritten hat ganz gut geklappt. Der Wind war schwierig, sehr böig. Die Saison ist außergewöhnlich, ich konnte wenigstens meine Rückenbeschwerden auskurieren“, sagte Mihambo, für die die DM eher einen „symbolischen Wert“ hatte.
In ihrem dritten Saisonrennen holte sich nach zwei Hallentiteln in Leipzig Hanna Klein den dritten Titel in diesem Jahr. Und den ersten über 1500 Meter. „Darauf habe ich schon länger gewartet“, sagte die 27 Jahre alte Edenkobenerin. Ihre Strategie in einem überraschend schnellen Rennen: So plötzlich, so hart wie möglich antreten, um wegzukommen und durchzuhalten. Sie siegte in 4:13,71 Minuten zwei Sekunden vor Vera Coutellier (Köln) und Caterina Granz (Berlin). „Ich bin froh über diese Wettkämpfe, ich brauche die Routine“, sagte der Schützling von Isabel Baumann in Tübingen. Die Psychologiestudentin will noch unter 4:08 Minuten in diesem Jahr rennen.
Zwei Medaillen gab’s noch für den Leichtathletikverband Pfalz. Samantha Borutta (TSG Mutterstadt) warf den 4-kg-Hammer im ersten Versuch auf 66,20 Meter und wurde nur von Carolin Paesler (Leverkusen, 70,99 m) geschlagen. „Mit der Weite bin ich nicht so zufrieden, aber mit der Platzierung schon. Letztes Jahr war ich Dritter, jetzt Zweiter, so kann’s weitergehen“, sagte die 20-Jährige, die von ihrer Mutter Anette betreut wurde: „Samy hat sich wacker geschlagen, hat ihre Sache sehr gut gemacht, aber Carolin war nicht zu schlagen.“ Eine leicht Brise wehte gelegentlich durchs Stadion, manchmal versteckte sich die Sonne hinter Wolken, aber: „Es war brutal warm, ich komme damit zurecht, daheim haben wir im Training ja auch keinen Schatten“, sagte Samantha Borutta, die die Fans nicht wirklich vermisste: „Wenn man im Tunnel ist, kriegt man das nicht so mit.“
Er springe noch genauso gerne wie am ersten Tag, sagte Raphael Holzdeppe, und jeden Wettkampf nehme er als Geschenk. Eine wunderbare Einstellung eines 30-Jährigen, der mit 5,50 Meter Platz drei hinter Bo Kanda Lita Baehre, der WM-Vierte sprang mit 5,75 Meter persönliche Bestleistung, und Torben Blech (5,50 m) belegte. „Mein Ziel war die Titelverteidigung. Das klappte nicht, aber heute hatte ich das erste Mal ein gutes Wettkampfgefühl, aber ich musste mich in ihn reinkämpfen.“ Die Hoffnung, höher als in der letzten Saison zu springen, und das waren immerhin 5,80 Meter, hat er nicht aufgegeben. Er habe Geduld. Leverkusen und Stockholm sind seine nächsten Stationen.
Zugehörige Wettkämpfe
Datum | Name | Ort |
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08.–09.08.2020 | Deutsche Meisterschaften 2020 | Braunschweig (Deutschland) |
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