Braunschweig. Für die olympische Kernsportart ist es ein Novum, der Saisonhöhepunkt und ein international wichtiges Signal in Corona-Zeiten: Die Sprinter, Läufer, Werfer und Springer tragen an diesem Wochenende ihre deutschen Meisterschaften aus. „Nicht nur Deutschland wird auf Braunschweig schauen, sondern die ganze Leichtathletik-Welt“, prophezeit Jürgen Kessing, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), vor den Titelkämpfen im Eintracht-Stadion ohne Zuschauer, bei denen auch Raphael Holzdeppe und Christin Hussong vom LAZ Zweibrücken teilnehmen (wir berichteten).

Der Spitzenfunktionär verwies auf die abgesagten Meisterschaften in den USA. Allerdings tragen zehn weitere europäische Verbände ihre Titelkämpfe am Wochenende ebenfalls aus – zum Teil in veränderten Formaten. In Frankreich und Großbritannien sollen die Meisterschaften später stattfinden.

Mit einem 45-seitigen Hygienekonzept ermöglichte der DLV die Zustimmung der Behörden für die ungewöhnliche Veranstaltung. Nach einigem Hin und Her wurden auch die Läufe ins Programm gehoben. Bisher fanden in der Leichtathletik nur kleinere Meetings statt oder aufwendig inszenierte Fernduelle. Fast 500 Teilnehmer treten nun in Braunschweig in 34 Wettbewerben an. Mit Betreuern, Kampfrichtern, Organisatoren, Ordnern und Medienvertretern dürfen nicht mehr als 999 Personen gleichzeitig im Stadion sein. Die Sportler können nur in genau vorgegebenen Zeitfenstern die Arena und den Aufwärmplatz betreten. Das Programm wurde deshalb in vier Blöcke aufgeteilt.

Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth sieht die Geister-Meisterschaften auch als eine Botschaft an die Bevölkerung: „Wir brauchen solche Höhepunkte“, sagte er. Sie seien in einer schwierigen Zeit, in der viele Veranstaltungen weggebrochen sind, ein Ventil sowohl für Sportler als auch für die Menschen in der Stadt und vor den Bildschirmen. Die ARD überträgt die Wettkämpfe am Samstag (17 bis 19.50 Uhr), das ZDF am Sonntag (17.10 bis 18.50 Uhr).

Nach den Fußballern und den Basketballern trägt eine dritte große Sportart in Deutschlands Titelkämpfe während der Pandemie aus. Der DLV verhindert damit auch massive finanzielle Einbußen. „Der Verlust wäre im hohen sechsstelligen Bereich gewesen“, sagte Kessing.

Für die Leichtathletik ist es nach der Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio und der Europameisterschaften in Paris eine große Chance, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren und Wettkämpfe auf hohem Niveau zu bestreiten. Zwar hätten die Athleten an ihren Standorten und Stützpunkten unterschiedliche Bedingungen für die Vorbereitung gehabt, „aber die Felder sind dennoch ansprechend und versprechen einiges an Spannung“, sagte Bundestrainerin Annett Stein.

Namhafteste Teilnehmerin ist Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo, die sich erstmals in dieser ungewöhnlichen Saison in die Sandgrube wagt – allerdings nach nur zwei Monaten Training und mit verkürztem Anlauf. „Dieses Jahr sind die deutschen Meisterschaften für mich der wichtigste Wettkampf, und das ist einfach ein tolles Gefühl“, sagte die deutsche „Sportlerin des Jahres“ von der LG Kurpfalz.

„Es ist natürlich schade, dass keine Fans im Stadion sind. Aber andererseits ist doch schön, dass wir überhaupt die Möglichkeit haben, die Meisterschaften auszutragen. Ich nehme das total ernst“, erklärte der zweifache Kugelstoß-Weltmeister David Storl aus Leipzig.

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
08.–09.08.2020 Deutsche Meisterschaften 2020 Braunschweig (Deutschland)