Die späte Saison und die Vision

Keine Zuschauer, keine Stimmung. Doch die Leichtathleten leben ihren Traum von den Olympischen Spielen. Deshalb war die DM wichtig.

Konstanze Klosterhalfen läuft für Geld in Monaco, sie ist in einer bestechenden Form, Gina Lückenkemper lief aus Scham in Finnland, ihre Form ist schlecht. Die deutschen Meisterschaften ließen sie links liegen. Kann man machen.

Gesa Krause, ein drittes Gesicht der deutschen Leichtathletik, nahm einen Temperaturwechsel von rund 30 Grad auf sich, kam aus Davos nach Braunschweig – und scheiterte an ihren schweren Beinen. Kein Wunder. Tränen, Frust und dann der starke Satz: „Ich bin auch nur ein Mensch.“ Vielleicht ist das die Größe, die eine echte Athletin auszeichnet.

Ein anderes Bild dieser so trostlosen Titelkämpfe: Dreispringerin Maria Purtsa, die Dresdnerin, die Psychologiestudentin, die in einer Woche 25 wird, steht nach dem „Hop-step-jump“ und der Landung auf der Bahn und schreit: Bitte, bitte, bitte. Gemessen werden 13,65 Meter, es ist der Sieg. Sie vollführt Freudentänze, ist aus dem Häuschen. Herrlich unbeschwert. Aber es kommt nichts zurück. Keine Zuschauer, kein Beifall, nichts.

Und ein Drittes: die Vision der Athleten. „Ambitionen, alles aus mir herauszuholen“ (800-m-Läufer Marc Reuther), „Die Olympianorm noch springen“ (Dreispringer Max Heß nach seinem vierten Titelgewinn), „Olympia nächstes Jahr ist der ganz große Traum, daran halte ich fest“ (Hindernis-Siegerin Elena Burkard). Heißt: Die Athleten brennen darauf, aus der „Late Season“ das Beste herauszuholen, jeder auf seine Art. Sie haben eine Vision. Genau deshalb waren diese Titelkämpfe unter einem strengen Hygienekonzept wichtig. Schade nur: Medaillen und Urkunden im Nirgendwo abholen zu müssen, ist auch unter diesen Umständen unwürdig.