Die Speerwerferin des LAZ Zweibrücken ist in bestechender Form. Nach ihrem Rekordwurf auf 69,19 Meter greift die 27-Jährige am Wochenende in Braunschweig nach ihrem fünften DM-Titel. Mit Stabhochspringer Raphael Holzdeppe und Sprinterin Sina Mayer schickt das LAZ zwei weitere Starter ins Rennen.

Zweibrücken. Mit unglaublicher Konstanz bringt Christin Hussong ihren Speer zum Fliegen. Und das nicht erst seit diesem Jahr. Doch aktuell ist die Athletin des LAZ Zweibrücken in herausragender Form. Der besten ihrer bisherigen Laufbahn. Und die möchte sie auch bei der deutschen Meisterschaft an diesem Wochenende in Braunschweig wieder demonstrieren – und dabei ihren fünften nationalen Titel feiern.

Die Beständigkeit der Herschbergerin kommt nicht von ungefähr. Akribisch arbeitet sie gemeinsam mit Trainer und Vater Udo Hussong an verbesserten Kraftwerten, an der Athletik sowie der steten Verfeinerung der Technik. Auch die wettkampfarme Corona-Zeit hat sie dazu – wie sich zeigt erfolgreich – genutzt. In all ihren bisherigen Wettkämpfen der Olympia-Saison flog Hussongs Wurfgerät über die 66-Meter-Marke, von Meeting zu Meeting steigerte sie sich: 66,44 Meter in Split, 66,56 in Ostrava, 66,96 in Rehlingen – und schließlich der starke Wurf zur neuen Bestleistung von 69,19 Metern bei der Team-EM in Polen. Die 27-Jährige strahlt Selbstsicherheit aus, in ihren Würfen zeigt sie eine große Stabilität. Dass diese Steigerung nicht unendlich ist, ist ihr dabei durchaus bewusst. „Es wäre utopisch, zu denken, dass ich jetzt jede Woche eine 69 werfe – das wäre ein bisschen arg viel verlangt“, sagt die amtierende Europameisterin. Die aber auch sicher ist, dass mit der neuen Bestmarke noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Hussong spürt, da geht noch mehr.

Zumal selbst bei dem bislang weitesten Wurf ihrer Karriere am vergangenen Sonntag noch nicht alles gepasst habe, wie die anschließende Analyse mit ihrem Vater ergab. „Klar, das, was in den letzten Wettkämpfen noch nicht hundertprozentig war, was wir verbessern wollten, das war jetzt auch tatsächlich besser“, erklärt die LAZ-Athletin. „Aber noch nicht so, dass ich sage, das war jetzt das Ende – und das ist ja auch gut so, dass ich weiß, es geht noch mehr.“ Das sei ein wichtiger Ansporn.

Auch am Samstag ab 16.30 Uhr, wenn im Eintracht-Stadion in Braunschweig das nationale Kräftemessen ansteht. Dass der Sieg im Speerwurf der Frauen nur über Christin Hussong gehen kann, wird auch der Konkurrenz klar sein. Mehr als zehn Meter beträgt ihr Vorsprung auf die Leipzigerin Christine Winkler. Und doch sieht Hussong die Meisterschaften nicht als leichten Spaziergang auf dem Weg nach Tokio. Der Druck, zu liefern, sei immer da. „Ich habe meine Ziele und weiß, was ich werfen möchte. Den Druck mach ich mir dann auch selbst“, sagt die 27-Jährige und fügt an: „Es ist ein deutscher Meistertitel, den möchte man auf jeden Fall haben.“ Es wäre nach 2016, 2018, 2019 und 2020 bereits ihr fünfter. Daneben wolle die Zweite der Weltjahresbestenliste „technisch dort weiter machen, wo ich aufgehört habe“.

Dass in diesem Jahr bislang nur die Polin Maria Andrejczyk (71,40 Meter) weiter geworfen hat als Hussong, dass sie nun zweitbeste Deutsche aller Zeiten ist, dass weltweit jemals nur sieben Werferinnen mit dem 600 Gramm schweren Speer besser waren als sie, sei schon verrückt. Aber „letztendlich zählt dann einfach das, was ich in Tokio mache“, betont die WM-Vierte von 2019. Der nach dem Wurf am Sonntag nicht gleich bewusst gewesen sei, wie sie in welcher Rangliste nun steht. „Ich wusste in dem Moment auch gar nicht, wie weit der deutsche Rekord (70,20 m) genau ist. Ich wusste, dass Christina (Obergföll, Anm. d. Red.) über 70 Meter geworfen hatte. Aber es ist schon schön, wenn man dann nur noch sie vor sich hat“, beschreibt sie das besondere Gefühl, „wenn man plötzlich auf Augenhöhe mit Athleten ist, die man früher selbst geschaut hat“. Trotz ihrer Selbstsicherheit ist dann doch noch etwas Ungläubigkeit bei dem Gedanken zu spüren, „dass ich in der deutschen Bestenliste nun sogar vor einer Steffi Nerius (68,34 m) stehe“. Der Weltmeisterin von 2009, die sechs deutsche Meistertitel feiern konnte. Diesen Rekord kann die LAZ-Athletin am Samstag (noch) nicht knacken, aber der fünfte Titel soll es dann doch werden.

In Braunschweig mit dabei wird dann auch wieder Papa Udo sein, der bei den internationalen Meetings zuletzt fehlte, auch ihren bislang besten Wurf im polnischen Chorzow nur am Bildschirm verfolgen konnte. „Durch Corona wird die Zahl der Betreuer bei den Wettkämpfen auf das nötigste runtergeschraubt. Aber jetzt bei den Deutschen ist er schon wieder dabei“, freut sich Christin Hussong. „Ich bin jetzt älter geworden, man kriegt das schon alleine hin, aber trotzdem ist es schöner, wenn er dabei ist, das gibt einem einfach Sicherheit.“

Mit neu gewonnener Sicherheit und Vertrauen in die eigene Stärke kann auch LAZ-Sprinterin Sina Mayer in Braunschweig auf die Bahn gehen. Wenn es für sie am Samstag über die 100 sowie am Sonntag über die 200 Meter auch nicht um den Sieg geht, freut sie sich doch sehr auf den Start, „nachdem ich zwei Jahre lang draußen keine deutschen Meisterschaften hatte“. Nach ihrer starken Saison 2017 hatte die 26-Jährige immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen, kam nicht mehr an ihre damals aufgestellte Bestzeit von 11,25 Sekunden über die 100 Meter heran, verlor ihren Kaderstatus. Im vergangenen Jahr unterzog sie sich einer Leisten-OP und verzichtete auf die coronabedingte Late-Season. Bereits in diesem Winter meldete sich Mayer aber stark zurück – mit neuen Bestzeiten über die 50 (6,38 sek) und 60 Meter (7,30 sek). Was ihr die Teilnahme an der Hallen-DM in Dortmund ermöglichte, wo sie es bis ins Finale schaffte. An diese Leistungen knüpfte die LAZ-Athletin in der Sommersaison an. Zum Auftakt lief Mayer in Mannheim mit 11,50 Sekunden über die 100 Meter so schnell wie seit 2017 nicht mehr, beim Anhalt-Meeting in Dessau setzte sie mit einer 11,30 noch ordentlich einen drauf. Dass sie das noch kann, daran hat sie „eigentlich schon“ geglaubt. Zumal Mayer mit dem Lauf in Mannheim „überhaupt nicht zufrieden“ war. „Ich habe gemerkt, dass ich gerade in der Beschleunigung ein paar technische Fehler hatte und es einfach kein sauberes Rennen war“, erklärt sie. Und fügt an: „Ich wusste daher, dass es auf jeden Fall schneller geht. Dass ich dann aber in Dessau direkt eine 11,30 laufe, in dem Feld, abends als es schon etwas kälter war, das war schon wirklich gut.“

Die U23-Europameisterin von 2017 ist einfach froh, dass sie nochmal zeigen kann, was in ihr steckt. „Bei mir ist es eigentlich so: Wenn ich wieder im Training drin bin, dann bin ich immer recht schnell wieder schnell unterwegs. Es kamen in den vergangenen Jahren aber einfach immer wieder Verletzungen dazwischen, die mich ausgebremst haben“, erklärt Mayer, dass sie „eigentlich immer wusste, dass ich das drauf habe“. Das Auskurieren nach der Leisten-OP vor einem Jahr war auf dem Weg zurück zur alten Stärke „schon wichtig. Es war eh Corona und da wusste ich, ich bin dann gesund und kann einfach nochmal bei null anfangen in der Vorbereitung“.

Nach den beiden neuen Bestzeiten unterm Hallendach knackte Mayer in Mannheim Mitte Mai mit 23,97 Sekunden zudem ihre persönliche Bestmarke über die 200 Meter, lief erstmals unter 24 Sekunden. Mit den 11,30 über die 100 Meter kam sie schon sehr nah an ihre schnellste Zeit heran. „Es wäre natürlich schön, wenn die Bestzeit über die 100 in diesem Jahr auch noch fällt. Das ist nicht ausgeschlossen, ich trau es mir schon zu“, sagt die 26-Jährige selbstbewusst. Unter Druck setzen möchte sich Sina Mayer dabei aber nicht. Auch nicht in Braunschweig. „Ich versuche es einfach wie im Winter in der Halle zu machen, locker an die Sache rangehen“, erklärt die Sprinterin aus Schönenberg-Kübelberg. „Ich weiß, dass ich gut drauf bin. Ich lasse mich überraschen.“ Denn Mayer kennt auch die Stärke der nationalen Konkurrenz. Wenn Gina Lückenkemper auch verletzungsbedingt passen muss, können sich mit Lisa Mayer ( Wetzlar, Saisonbestleistung 11,12 sek), Rebekka Haase ( Wetzlar, 11,21 sek), Titelverteidigerin Lisa Marie Kwayie (Neuköllner SF, 11,29 sek), Amelie-Sophie Lederer (LG München), Jennifer Montag (Leverkusen) sowie Tatjana Pinto (LC Paderborn) zahlreiche Starterinnen Siegchancen ausrechnen.

Ganz ohne diese geht auch LAZ-Stabhochspringer Raphael Holzdeppe an diesem Samstag, 11.40 Uhr, nicht ins Rennen. Wenn Titelverteidiger Bo Kanda Lita Baehre (Leverkusen) auch wieder mit der besten Vorleistung von 5,70 Metern anreist. Gut in Form ist auch der Hallen-EM-Vierte und Trainingspartner des Zweibrückers, Oleg Zernikel (ASV Landau, 5,60 m). Er kratzte in Rehlingen zuletzt an der Olympianorm (5,80 m). Der deutsche Hallenmeister Torben Blech (Leverkusen) ist ebenso wie Holzdeppe noch nicht über 5,50 Meter hinausgekommen. Allerdings haben diese beiden nicht den unbedingten Druck, die Olympianorm noch abhaken zu müssen. Holzdeppe, der die Hallenrunde zugunsten der Olympia-Vorbereitung vorzeitig abgebrochen hatte, und Blech haben die 5,80 Meter 2019 bereits überflogen und brauchen nur noch die Bestätigungsnorm von 5,70. Die 5,81 Meter von Lita Baehre aus dem Vorjahr zählen nicht, da der Qualifikations-Zeitraum coronabedingt im vergangenen Sommer ausgesetzt wurde. Der Titelkampf in Braunschweig könnte damit zu einem spannenden Kampf um die drei Olympiatickets werden. In die Stabhochsprung-Konkurrenz war eigentlich auch der 23-jährige Nico Fremgen reingerückt. Doch der zweite Vertreter des LAZ Zweibrücken verzichtet auf sein Startrecht. Bei der Hallen-DM im Februar war Fremgen an seiner Einstiegshöhe von 5,02 Metern gescheitert.

„Zum Glück habe ich die Norm schon übersprungen“, sagte Holzdeppe, der 2019 letztmals den DM-Titel gewann, vor seinem Saisonstart. Dass das noch keine Olympia-Garantie für den 31-Jährigen bedeutet, ist ihm klar. „Jetzt muss ich mich noch gegen die nationale Konkurrenz behaupten.“ Gelingt ihm das, fährt er nach Tokio, wäre dies bereits die vierte Olympia-Teilnahme für Holzdeppe nach Peking 2008, London 2012 und Rio 2016. Jetzt geht es in Braunschweig aber zunächst darum, die Höhe von 5,50 Metern weiter hochzuschreiben, bestmöglich einen Platz auf dem Treppchen zu ergattern – und womöglich wieder zurückzufinden zu größerer Konstanz.

Den DM-Titel im Stabhochsprung der Frauen hat sich bereits am Freitagnachmittag die Mannheimerin Jacqueline Otchere gesichert. Sie setzte sich mit 4,30 Metern vor Leni Freyja Wildgrube (SC Potsdam, 4,20 m) sowie ihrer höhengleichen Vereinskollegin Ella Buchner durch.

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
05.–06.06.2021 Deutsche Meisterschaften 2021 Braunschweig (Deutschland)
23.07.–08.08.2021 Olympische Sommerspiele 2020 Tokio (Japan)