Holzdeppe in Olympiaform

Mannheim. Blauer Himmel, strahlende Sonne: Die deutschen Sprinter reisen nach einer tollen Generalprobe in Mannheim in starker olympischer Form nach Rio de Janeiro. Julian Reus lief gestern in 10,01 Sekunden deutschen 100-Meter-Rekord, Tatjana Pinto in 11,00 Sekunden so schnell wie seit 28 Jahren keine Deutsche mehr. Und: Raphael Holzdeppe ist definitiv zurück im Wettkampfgeschehen. Er überflog 5,70 Meter.

Dem Zweibrücker fiel ein Stein vom Herzen. Die Latte lag dort oben ruhig im Wind, er stand jubelnd auf der Matte. Dann nahm er die Glückwünsche entgegen und schrieb fleißig Autogramme – glücklich und zufrieden! Der Olympiadritte von 2012, Weltmeister von 2013 und Vizeweltmeister von 2015 hat sich nach einer schweren Fußverletzung, die er sich im Februar zugezogen hatte, energisch zurückgebissen, hat nachgewiesen, dass er will und, so sagte sein Trainer Andrei Tivontchik: „Er hat gezeigt, was er wirklich draufhat.“ 5,40 im zweiten Versuch, 5,55 im dritten und 5,70 Meter im ersten Versuch. Chapeau! „Es war total schwierig heute. Ich hörte dann lieber auf, bevor noch etwas passiert“, erklärte Holzdeppe (26). Seitenwind störte die Springer empfindlich, mehrfach musste Holzdeppe den Anlauf abbrechen. „Mir hat auch die lange Wartezeit zu schaffen gemacht. Aber ich wollte heute die Generalprobe. Es war zwar extrem schwer, aber ich bin mehr als zufrieden“, bilanzierte er diesen Wettkampf in einer schwierigen Saison. Er hatte den Heimwettkampf in Zweibrücken, die deutsche Meisterschaft in Kassel und die EM in Amsterdam wegen muskulärer Probleme abgesagt. Nur: Er gab nie auf. „Der heutige Wettkampf wird ihm Sicherheit geben. Er wird morgen Muskelkater haben, aber er wird in Rio in guter Form sein. Warten wir’s ab“, sagte sein Trainer Andrei Tivontchik, der vor 20 Jahren in Atlanta Olympiabronze gewann.

Der Seitenwind störte die „Stabis“, aber er verhalf gestern bei der Olympia-Verabschiedung der deutschen Athleten im Mannheimer Michael-Hoffmann-Stadion zu superguten Zeiten. Julian Reus (28) lief zum zweiten Mal in dieser Saison deutschen Rekord: 10,01 Sekunden. „Es war ein normaler Abschlusswettkampf in der Olympiavorbereitung, der nicht die höchste Priorität hatte“, sagte er. „Dass ich gut in Form bin, habe ich die ganze Saison gezeigt. Man nimmt den Schwung natürlich mit. Ich bin dieses Jahr dreimal unter 10,10 gelaufen, das ist eine unglaubliche Konstanz.“ Christian Kiemstedt (ABC Ludwigshafen) lief in 10,48 persönliche Bestzeit.

Kurz darauf stürmte Tatjana Pinto in 11,00 Sekunden auf Platz sieben der ewigen deutschen Bestenliste. „Ich wollte Bestzeit laufen, aber dass es so schnell wird, hätte ich nicht gedacht, ich kann das alles noch nicht fassen“, sagte sie. In ihrem Sog lief Gina Lückenkemper 11,04 Sekunden: „Bombastisch war das heute.Und die Staffelzeit in 41,62 Sekunden ist Wahnsinn, die gibt uns Sicherheit. Wir feilten an den Wechseln, das hat sich gelohnt.“

Über 1000 begeisterte Zuschauer sahen bei freiem Eintritt hervorragenden Sport. Gregor Traber steht nun in 13,21 Sekunden auf Platz fünf der ewigen deutschen Hürden-Bestenliste, Nadine Hildebrand steigerte sich auf die persönliche Bestleistung von 12,64 Sekunden. „Nach der EM habe ich im Training richtig reingehauen“. Auch Europameisterin Cindy Roleder (12,71) meinte: „Wir haben uns gegenseitig angespornt, aber es war aus dem Training heraus. Was zählt, ist Rio“. Die Nußdorferin Ricarda Lobe (MTG Mannheim) steigerte sich auf 13,01 Sekunden.