Im Glutofen des Braunschweiger Eintracht-Stadions ist Speerwerferin Christin Hussong vom LAZ Zweibrücken zum vierten Mal deutsche Meisterin geworden. Raphael Holzdeppe konnte seinen Titel nicht verteidigen. Er musste sich mit Bronze begnügen.

Zweibrücken/Braunschweig. Ins Schwitzen brachte Christin Hussong am Samstag nur die glühende Sonne, die unbarmherzig auf das Eintracht-Stadion hinunterbrannte. Immer wieder kühlte die Speerwurf-Europameisterin vom Leichtathletikzentrum (LAZ) Zweibrücken ihr Gesicht im Glutofen von Braunschweig mit dicken Eispackungen. Sportlich schien die mörderische Hitze von bis zu 37 Grad die 26-Jährige aber kaum zu beeinträchtigen. Hussong verteidigte nicht nur ihren deutschen Meistertitel – sondern demonstrierte erneut eindrucksvoll ihre nationale Ausnahmestellung. In ihrem zweiten Versuch schleuderte die Herschbergerin den Speer auf 63,93 Meter. Keine andere Konkurrentin übertraf die 60-Meter-Marke. Der Vorsprung auf die Zweitplatzierte Annika Marie Fuchs vom SC Potsdam (57,97 m) betrug am Ende fast sechs Meter. Dritte wurde Lea Wipper (SC DHfK Leipzig/55,72 m).

Sie habe zwar auf eine noch bessere Weite gehofft, sagte Hussong nach dem Wettkampf am Mikrofon der ARD. „Aber bei den Bedingungen sind über 63 in Ordnung – sind sogar gut“, korrigierte sie sich. Routine oder gar Langeweile angesichts ihres vierten DM-Triumphes – dem dritten in Folge – komme bei ihr nicht auf. „Ein deutscher Meistertitel ist ein deutscher Meistertitel. Und jetzt der dritte in Folge – da bin ich schon stolz drauf“, freute sich die LAZ-Athletin.

Weniger glücklich war die 26-Jährige darüber, dass die deutsche Meisterschaft ohne Zuschauer stattfinden musste. Hatten ihr bei der DM letztes Jahr in Berlin noch über 20 000 Zuschauer zugejubelt, gab es diesmal keine Siegerehrung mit viel Applaus. Hussong musste sich wie alle Athleten ihre Plakette und Urkunde im Wettkampfbüro abholen „Das war schon komisch. Für dieses Jahr habe ich mich aber damit abgefunden, dass es einfach so ist. Und ich bin auch froh und dankbar, dass die DM in Deutschland trotz der ganzen Umstände überhaupt stattgefunden hat. Die Situation ist für alle nicht einfach. Aber so hatten wir zumindest einen kleinen Höhepunkt in diesem Jahr.“

Die Herschbergerin betonte erneut, dass sie ihre Saison ohne die nationalen Titelkämpfe womöglich komplett abgebrochen hätte. Angesichts der ausgefallenen Olympischen Spiele in Tokio „wusste man ja nicht, wofür man trainiert“, sagte Hussong, die in zwei Wochen beim Wettkampf in Thum (Sachsen) an den Start gehen wird. Die restliche Planung müsse man abwarten. Von Mitte September bis Ende Oktober mache sie dann zunächst sechs Wochen Pause und beginne dann mit der Vorbereitung auf die nächste Saison.

Seine Titelverteidigung verpasst hat dagegen der zweite LAZ-Athlet, Raphael Holzdeppe. Der Stabhochspringer steigerte zwar am Sonntag seine persönliche Jahresbestleistung um 14 Zentimeter. Seine übersprungene Höhe von 5,50 Metern reichte aber nur zu Platz drei. Sieger wurde Bo Kanda Lita Baehre von Bayer Leverkusen. Der U23-Europameister sprang am Sonntag in seiner eigenen Liga. Er überquerte 5,75 Meter (persönliche Bestleistung) und distanzierte seine ärgsten Konkurrenten damit um 25 Zentimeter. Rang zwei vor Holzdeppe sicherte sich Torben Blech (Leverkusen), der ebenfalls 5,50 Meter übersprang, dabei aber weniger Versuche benötigte als der LAZ-Athlet.

Die Motivation der Springer geriet in der 200-Meter-Kurve im weitestgehend leeren Eintracht-Stadion zum Gemeinschaftsprojekt. Mit rhythmischem Klatschen sorgten Betreuer und Athleten selbst für Stimmung. Ob das Raphael Holzdeppe bei seinem dritten Versuch über 5,40 Meter beflügelte, ist nicht überliefert. Jedenfalls wäre der LAZ-Athlet für seinen späten Einstieg in den Wettkampf fast bestraft worden. Ein „Salto Nullo“, den er am letzten Mittwoch beim Meeting in Finnland hingelegt hatte, blieb dem Zweibrücker aber erspart. Mit seinem finalen Versuch überwand er seine Einstiegshöhe und breitete danach beinahe entschuldigend die Arme aus. Die 5,50 Meter übersprang er dann bereits im zweiten Anlauf – doch höher ging es für Holzdeppe, der nach dem Wettkampf mit gequältem Lächeln zu Trainer Andrei Tivontschik schlich, nicht hinaus. „Mein Ziel war es, meinen Titel zu verteidigen. Vor dem Lockdown war meine Form perfekt, aber jetzt tue ich mich unheimlich schwer, richtig in die Saison zu kommen“, räumte Holzdeppe am ARD-Mikrofon ein. Zumindest habe er in Braunschweig erstmals „ein gutes Wettkampfgefühl“ gehabt. Und auch seine ehrgeizigen Ziele hat Holzdeppe nicht aus den Augen verloren: „Ich bin letztes Jahr 5,80 Meter gesprungen – und ich bleibe dabei, dass ich noch dieses Jahr höher springen will.“

Karsten Dilla, der für Bayer Leverkusen startet, seinen Trainingsmittelpunkt aber in Zweibrücken hat, belegte in seinem letzten Wettkampf überhaupt (Karriereende) Rang fünf (5,30 m). Der Landauer Oleg Zernikel wurde Vierter (5,40 m).

Der Vorsitzende des LAZ Zweibrücken, Alexander Vieweg, war grundsätzlich zufrieden mit dem Abschneiden seiner Athleten. „Mit zwei Leuten an den Start gegangen und zwei Medaillen geholt – viel mehr kann man nicht erwarten“, sagte er und betonte, dass sich sowohl Holzdeppe als auch Hussong im Vergleich zum vereinseigenen „Sky’s the Limit“ Meeting noch einmal gesteigert hätten.

Im Hinblick auf Holzdeppe teilte der Vorsitzende die Einschätzung seines Athleten. „Für Raphi war die DM der Kick-Off, um zu sehen wo er steht“, sagte Vieweg am Sonntagabend. Holzdeppe brauche jetzt vor allem weitere Wettkämpfe, um richtig in die Saison zu finden. Und diese Wettkämpfe bieten sich in den kommenden Wochen. Noch an sechs oder sieben Meetings wolle Holzdeppe teilnehmen – und sich dabei auch noch einige Male mit Bo Kanda Lita Baehre messen.

Dann kann Holzdeppe zeigen, dass er dem frisch gebackenen deutschen Meister im Kampf um die nationale Spitze Paroli bieten kann. Am Sonntag in Braunschweig konnte er dies noch nicht.

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
08.–09.08.2020 Deutsche Meisterschaften 2020 Braunschweig (Deutschland)