Seit Tagen versuche ich herauszufinden, warum jeweils nur einer aus dem Heer der Polizisten in blauer Uniform, ich sage mal der Chef des Ganzen, mit einem Stock da rumsteht. Beobachtend, ja fast gelangweilt. Etwa am Eingang zum MPC oder an den Eingängen zu den Sportstätten. Das Ding gleicht einem Besenstiel, vermutlich ist es sogar einer. Nach teurem Zedernholz aber sieht er nicht aus.

„Fighting, Fighting“, sagte einer von jenen Commanders, die ich mich traute anzusprechen, und er lachte herzhaft. Auch er konnte so gut wie kein Englisch. Er fuchtelte demonstrativ für mich ein wenig mit dem Stock herum, um mir zu zeigen, was er meinte mit „Kampf, Kampf“, freute sich und bedeutete zugleich: Es ist ein ruhiger Job, den ich hier ausübe. Klar, Journalisten sind eben keine Gefahr.

Längst habe ich kapiert, wie großzügig sich die Japaner beim „Überwachen“ der Sicherheit verhalten, beziehungsweise, was den Straßenverkehr betrifft, diesen übertüchtig regeln. An den Eingängen zu den Sportstätten, beim Durchleuchten des Gepäcks, sind es Soldaten in diesen typisch olivgrün-gefleckten Uniformen, die einen kurz auffordern, einen Schluck aus der Flasche Wasser zu trinken. Fertig, das war’s, durchgehen. Dazu gibt’s ein freundliches „schöner Tag“. Ein privater Sicherheitsdienst mit weißen Hemden scheint mir vor allem zum Grüßen eingesetzt. Meist sind es ältere Menschen, die man, so vermute ich, aus dem Ruhestand rekrutiert hat. Hauptsache, viele Leute. Dazu zählen eben auch die entspannten Polizisten mit dem Besenstiel – für den Betrachter ist das zum Kugeln.

Die Zeit der Kriegerklasse der Samurai ist vorüber. Japan sei ein Land der Waffenlosen, habe ich gelesen, und habe die schärfsten Waffengesetze. Ein friedvolles Land mit niedriger Kriminalitätsrate. Angst muss da niemand haben, nicht mal ich in Downtown und schon gar nicht wie damals in Barcelona, 2010 bei den Leichtathletik-Europameisterschaften, als den Journalisten reihenweise die Laptops aus den Rucksäcken, aus der Sicht der Diebe geschickterweise gleich die ganzen Rucksäcke geklaut wurden.

Japaner seien konfliktscheue Menschen, Aggressivität sei ihnen fremd, eher sei man rücksichtsvoll – und das mit dem Entschuldigen, das sei eine Gewohnheit, hinter der man nicht immer stehe, erzählte mir Naoko Fukuda, als wir uns Ende Juni am Nymphenburger Schloss in München getroffen hatten. All das erlebe ich auch so und finde die Hilfsbereitschaft ziemlich angenehm.

Ich muss in diesen Tagen oft an Naoko denken, die mich auf die Reise durch die japanische Seele mitgenommen hatte. An so manchen Satz, etwa den, der mir an diesem Montagmorgen einfällt, als die ganze Stadt früh morgens wieder auf den Beinen scheint und die Straßen dicht sind. Japaner arbeiten, um zu arbeiten, Deutsche arbeiten, um in Urlaub zu gehen, zog die 60-Jährige einen herben Vergleich. Aha. Dann bin ich gerade Japaner, der sich, wie daheim, nur vorm Wäschewaschen drückt.

An der Rezeption hatte ich, nach dem Frühstück und bevor ich mich in die zweite Woche stürzte, meine Wäsche – morgens gebracht, abends gemacht – abgeholt. Sieben Hemden beziehungsweise T-Shirts und eine Shorts, gereinigt, fein gebügelt und verpackt für 5400 Yen, das sind 41,41 Euro. Ein stolzer Preis, wie ich finde. Dafür habe ich mir im kleinsten aller Waschbecken das Selbstwaschen mit Rei in der Tube erspart. Ich weiß auch gar nicht, wo ich die Klamotten hätte aufhängen sollen.

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
23.07.–08.08.2021 Olympische Sommerspiele 2020 Tokio (Japan)