Nur wer etwas wagt, gewinnt auch etwas, Erfahrung oder so. Bevor das Gerücht, das gestern die Runde machte, wirklich wahr wird, schalte ich das Handy und damit GPS ab, schlendere oder schleiche aufmerksam durch die engen Sträßchen von Kamata, offenbar ein Vergnügungsviertel light, in das ich als Fremder mit dem Rucksack im Schlepp nicht wirklich passe. Es ist Mitternacht und richtig Betrieb in den Gassen. Junge Leute, lustig, hungrig, durstig. Aber auch vorsichtig und achtsam. Sie stehen in Grüppchen beisammen, tragen Masken. Eine Samstagnacht ähnlich wie in der Szene in Mannheim oder Frankfurt. Sie wollen sich nicht länger einsperren lassen, egal, was Inzidenzzahlen sagen.

Es wäre auch für uns schade, eigentlich nicht hinnehmbar, wenn die Überlegung, die Quarantäne doch nicht nach 14 Tagen enden zu lassen, umgesetzt wird. Bitte, bitte, lasst dies nicht wahr werden. Wir Journalisten haben doch gar keine Angst, dass die Einheimischen uns anstecken könnten.

Es heißt in den Vorschriften, die im sogenannten Playbook zusammengefasst sind, man dürfe sich nur auf direktem Weg zwischen seinem „Arbeitsplatz“ und dem Hotel bewegen. Die Arbeitsplätze musste ich schon daheim pauschal mit Nummern im Activity-Plan angeben, das waren zum einen das Hauptpressezentrum MPC, zum anderen alle Wettkampfstätten. Fertig. Möchte ich zum Family-Mart, habe ich dafür 15 Minuten Zeit und muss mich ein- und austragen bei einer Person, die die Uniform des Sicherheitsdienstes trägt, im Hotel sitzt und die Sache eh nicht ernst nimmt.

Kurzum: Ich umgehe das, wenn ich in der Nacht aus dem Bus steige und den Umweg zum Hotel nehme, auf dem ich noch einen viel größeren Supermarkt finde. Außerdem lasse ich mich, weil ich, gerade bei Kulinarischem, unglaublich neugierig bin (manche sagen nur: gierig), auf süße Kartoffeltaschen mit einer pürierten Red-Beans-Creme für 1,60 Euro ein. In einer Fischform gebacken. Nicht schlecht, das Versucherle.

Ich wusste definitiv nicht, was mich erwartet, weil nur in japanischer Schrift geworben wurde, und frage die junge Verkäuferin, ob ich sie in ihrem Büdchen fotografieren dürfe, worüber sie sich echt freut.

Auf dem Heimweg ist in einer großen Spielhalle Reinemachen angesagt. Ich hatte sie am Sonntag davor schon entdeckt, weil ich da aber früher dran war, herrschte Hochbetrieb. Wahnsinn, wie intensiv diese Spielhöllen genutzt werden. Pachinko Hiroki heißt der Laden, aber bevor ich mich, wie schon bei der Morning Glory, als Ahnungsloser in Sachen Spielkonsolen oute, lass ich das. Es ist nicht meine Welt. Dann doch lieber Kartoffeltaschen aus der Fisch-Backform.

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
23.07.–08.08.2021 Olympische Sommerspiele 2020 Tokio (Japan)