Leichtathletik: Stabhochspringerin Lisa Ryzih holt ihren sechsten deutschen Hallentitel. Aber Sprinter Kevin Kranz setzt mit einem Rekord das Glanzlicht in Dortmund. Und im Kugelstoßen gewinnen zwei Altmeister mit Kindern.

Dortmund. Verrückt: Als Lisa Ryzih in den Wettkampf einstieg und gleich die 4,41 Meter überflog, hatte sie den Titel schon in der Tasche. Denn: Ihre Konkurrentinnen bissen sich an der Höhe die Zähne aus. Das spricht nicht für die Klasse des Wettkampfs, aber in Coronazeiten mit mangelnder Wettkampfpraxis verbietet sich in den technischen Disziplinen ernsthafte Kritik. An 4,61 Meter, der Norm für die Hallen-EM, scheiterte Ryzih. „Ich bin froh, dass wir bei der Taktik des späten Einstiegs blieben, denn das ist internationales Format. Hintenraus fehlte mir etwas die Spannung und die Konkurrenz“, bewertete die 32-jährige Doktorandin ihren Wettkampf.

Als zweite Pfälzerin folgte ihr Hürdensprinterin Ricarda Lobe (26) auf den Thron. Die Freiluftmeisterin im Trikot der MTG Mannheim hat jetzt also auch Hallen-Gold. „Das Finale war nicht so stark, aber letztlich zählt der Titel“, sagte die Landauerin nach ihren 8,19 im Finale – und 8,14 Sekunden im Vorlauf.

Eine echte Rakete zündete Kevin Kranz. Der 22-Jährige, bis vor sieben Jahren ein schneller Fußballer, ist nun, mit Julian Reus der schnellste deutsche Sprinter aller Zeiten über 60 Meter. 6,52 Sekunden – Wow! Reus war das 2016 gelaufen, ansonsten stammen die nächsten fünf Zeiten der ewigen Top Ten aus dem vorigen Jahrhundert. „Ich habe tatsächlich nicht damit gerechnet. Meine letzten Rennen waren mäßig, aber ich habe in der letzten Woche gut trainiert“, sagte Kranz. Der Freiluftmeister von 2018 durchlitt 2020 ein Seuchenjahr mit langwierigem Pfeifferschen Drüsenfieber. Er stand gar nicht auf der Bühne „und zwischendurch hatte ich keinen Bock mehr“, gestand er gestern. Aber die Trainingsgruppe des Sprintteams Wetzlar um Coach David Corell fing ihn auf. Nun reist er als Europas Schnellster zur EM nach Torun. Bei den Frauen siegte Amelie-Sophie Lederer in starken 7,12 Sekunden. Sina Mayer (LAZ Zweibrücken, 7,30) wurde Achte.

Wenn bei diesen Sprintfinals Zuschauer dabei gewesen wären! Ja wenn. Stattdessen war im menschenleeren Westfalen-Park in Dortmund nur die Helmut-Körnig-Halle geöffnet, doch ohne Schnelltest kam da keiner rein. Alle trugen FFP-2-Masken, für die Offiziellen gab’s Lunchpakete, und im Zeitplan stand eine sonderbare neue Disziplin: Lüftung. Ja, Hallenmeisterschaften in Coronazeiten sind eine Herausforderung. Für die Athleten aber ein Muss. Sie feuerten und klatschten sich untereinander an, denn die Fans fehlen einfach.

So etwa die kleinen Grüppchen am Kugelstoßring, wo die Starken vor den Schnellen den ersten von zwei Meisterschaftstagen eröffneten. Die 19 Meter konnte Christina Schwanitz nicht knacken, blieb bei 18,87 Meter hängen, aber „dafür, dass ich letztes Jahr mit einem Bandscheibenvorfall und taubem Arm daheim lag und hier die älteste Teilnehmerin bin, bin ich echt zufrieden, die Weite in dem Corona-Wahnsinn ist okay“, sagte sie, „mit zarten 35 und zwei Kindern zu Hause immer noch in Deutschland beständig Nummer eins zu sein, das ist was.“

In zwei Wochen trifft sich Europas Elite in Torun. Auch deshalb brauchten die Besten diesen Leistungsvergleich in Dortmund. In Polen will die Zweite in Europas Bestenliste wieder einmal auf dem EM-Podium stehen, ihre elfte internationale Medaille holen. 2015 war sie ebenso Weltmeisterin wie Kollege David Storl 2011 und 2013. Der 30-Jährige holte gestern unangefochten seinen achten deutschen Titel seit 2011. Mit seinen 20,83 Metern schob er sich auf Platz sechs in Europa, aber Torun steht nicht auf seinem Reiseplan. „Ich muss mich daheim kümmern, bis wir geregelte Bahnen haben. Das Dritte bringt schon bissel was durcheinander“, sagte „Storli“, der am 1. Februar wieder Vater wurde. „Und ich hadere noch mit der Technik, aber im Sommer wird das schon.“ Dann steht Tokio statt Torun ganz sicher höher im Kurs.

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
20.–21.02.2021 Deutsche Hallenmeisterschaften 2021 Dortmund (Deutschland)
05.–07.03.2021 Hallen-Europameisterschaften 2021 Toruń (Polen)