Es war eine außergewöhnliche Situation: Gleich zwei Leichtathleten vom LAZ Zweibrücken, Christin Hussong und Raphael Holzdeppe, saßen am Tisch der WM-Pressekonferenz im Mariott Marquis, dem deutschen Teamhotel bei in Doha. Beide erreichten eine Top-6-Platzierung: Speerwerferin Hussong wurde Vierte, Stabhochspringer Holzdeppe Sechster.

„An sich bin ich zufrieden. Es war besser, als bei der letzten WM, als in London mit drei ungültigen Versuchen im Finale ausgeschieden bin. Vor der WM sagte ich, ich wolle in die Top 5 kommen, das habe ich um einen Platz verfehlt. Nichtsdestotrotz war es eine gute WM, auf der ich aufbauen fürs Olympiajahr“, sagte Holzdeppe, der zugab, dass einiges fehlte, um die Springer vor ihm anzugreifen. „Von der Trainingsleistung wären 5,87 Meter drin gewesen, um vorne anzugreifen. Aber insgesamt hat die Sicherheit für höher gefehlt“, sagte er.

Holzdeppe tritt nicht der Halle an

Im nächsten Jahr müsse er in mehr Wettkämpfen konstanter hoch springen, deshalb lässt er die Hallensaison aus, um viel mehr richtig gute Trainingssprünge machen zu könne. Diesen neuen Weg hätten er und Trainer Andre Tivontchik beschlossen.

„Endlich mal ein Jahr, in dem ich nicht zurückblicken und fragen muss, was alles schief ging, sondern eines, aus dem ich körperlich fit komme und daran denken kann, wie ich es nun optimieren kann.“ Das ist die Haupterkenntnis des Weltmeisters von 2013 und Vizeweltmeisters von 2015, der auch schon in London 2012 Olympiabronze geholt hatte. Er ist sich sicher, dass er auch mit 30 Jahren in Tokio noch einmal angreifen kann: „Ja, ich kann den nächsten Schritt gehen.“ Holzdeppe blieb wie der viertplatzierte Bo Kanda Lita Baehre, sein 20 Jahre alter Teamkollege im Stadion sitzen, bis die Flugshow der großen Drei, es siegte der Amerikaner Sam Kendricks mit 5,97 Meter, zu Ende war: „Da will ich in Tokio wieder mitmischen“, prophezeite Holzdeppe.

Im Wettkampf am Dienstag Abend hatte der „Stabi“ immer auch einen Blick für Christin Hussong auf der anderen Seite. Mehr als Daumen drücken konnte er nicht für sie tun.

Hussong: „Bin beste Europäerin“

„So ist nun mal der Sport. Ich bin trotzdem Viertbeste der Welt, beste Europäerin. Obwohl mich Kelsey verdrängt hat, dann noch mal Wettkampf-Bestleistung zu werfen, das zeigt doch eine große Stärke, da bin ich auch ziemlich stolz drauf“, sagte Christin Hussong am Mittwoch. Die Speerwurf-Europameisterin aus Herschberg lange mit 65,05 Meter aus dem zweiten Versuch auf Medaillenkurs, dann aber riss eine Australierin sie aus allen Träumen. Hussong konterte auf 65,21 Meter im letzten Versuch – Platz vier nur. Undankbar, bitter, traurig.

Im „Morgenmagazin“, gleich nach der Pressekonferenz am Mittag noch mal zum Schminken und Live-Interview, das artete ein wenig in Stress aus, zumal sie und die Familie noch bis drei Uhr in der Nacht im „Champions“, einer Sportbar im Hotel, zusammensaßen. Für Christin gab’s nur noch eine Portion Pommes. Zu spät war sie aus dem Stadion zurückgekehrt.

Hussong lacht schon wieder

„Ich habe die Medaille nicht aus der Hand gegeben, ich hab sie ja gar nicht in der Hand gehabt“, sagte sie grinsend. Ihre kleine Enttäuschung wusste sie längst wieder hinter ihrem netten, fröhlichen Lachen zu verstecken, die Tränen, die noch in der Nacht flossen, waren schon wieder getrocknet. Auch solch eine Erfahrung gehört zum Sport dazu.

Vater und Trainer Udo Hussong interessiert sich natürlich immer auch für die Technik, weil er als Autodidakt gerade daran mit Christin so extrem hart arbeitet: „Im letzten Versuch hatte sie es gut gemacht. Richtig stark. Sie hatte Probleme gestern mit dem linken Stemmbein. Die Abfluggeschwindigkeit war heute höher als in der Qualifikation, aber vielleicht flog der Speer ein bisschen zu flach“, zählte Udo Hussong auf. Kleinigkeiten nannte er das alles, die aber zählen.

Entscheidend für ihn und für alle anderen auch: Wie er auf den Siegwurf von Lelsey-Lee Barber auf 66,56 Meter reagierte, dafür nur zehn Sekunden Zeit hatte, um den Schock zu verarbeiten. „Das war einzigartig“, sagte Hussong, „aber Christins bester Wurf im letzten Durchgang wurde nicht belohnt. Schade.“

In Weltspitze reinwachsen

Christin Hussong war 2019 unglaublich gut, hatte sich mit dem EM-Titel im Rücken mental sehr gesteigert, bilanziert fünf Wettkämpfe über 65 und einen über 66 Meter, im Finale warf sie alle über 60 Meter, aber es fehlte ihr der Ausreißer nach oben. Die beste Europäerin muss noch reinwachsen, sich festigen in der Weltspitze. Steffi Nerius war 2009 37, Christina Obergföll 2013 32 und Katharina Molitor 2015 31, als alle drei Weltmeisterinnen geworden waren. Hussong ist erst 25. In der Pressekonferenz sagte sie: „Ich werde alles, tun, dass mir sowas 2020 bei den Olympischen Spielen in Tokio nicht passiert. Die Motivation ist umso größer“.

Mama Gabi erzählte, wie sehr sich Tanja Damaske um die Tochter gekümmert habe: „Sie hat in allen Angelegenheiten geredet Sie hat ihr ein Kompliment gemacht, wie sie den Letzten rausgehauen hat.“ Tanja Damaske, ehemalige Speerwerferin, ist die Psychologin des deutschen Teams. Gabi Hussong war traurig: „Man sitzt als Mama da und kann gar nichts machen“.

Gestern um 8.05 Uhr ging der Flieger der Qatar Airways zurück nach Deutschland. Daheim angekommen, wird Christin Hussong jetzt erst mal vier Wochen urlauben.

Enttäusche Gesichter bei der Pressekonferenz in Doha bei den Athleten, die eine Medaille verpassten (von links): die Stabhochspringer Raphael Holzdeppe und Bo Kanda Lita Baehre und Speerwerferin Christin Hussong.
Enttäusche Gesichter bei der Pressekonferenz in Doha bei den Athleten, die eine Medaille verpassten (von links): die Stabhochspringer Raphael Holzdeppe und Bo Kanda Lita Baehre und Speerwerferin Christin Hussong. (Foto: Kullmann)
Fieberte mit seiner Tochter: Udo Hussong.
Fieberte mit seiner Tochter: Udo Hussong. (Foto: Hensel)

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
27.09.–06.10.2019 Weltmeisterschaften 2019 Doha (Katar)
23.07.–08.08.2021 Olympische Sommerspiele 2020 Tokio (Japan)