Zweibrücken. Kristina Gadschiew steht auf Platz 20 der deutschen Saisonbestenliste. Mit 4,10 Meter. Auf einem Platz, auf den sie ganz sicher nicht gehört und mit einer Höhe, die nicht zu ihr passt. Trotz aller Anstrengung, trotz aller Mühe: Ein gutes Jahr nach ihrem Achillessehnenabriss hat sie den Anschluss an die deutsche Spitze im Stabhochsprung noch nicht wieder geschafft. Gestern brach sie die Saison ab.

Rückblende I: 18. Juni 2014. Im Training in Zweibrücken reißt ihre linke Achillessehne ab. Tränen, Trauer, Tragik. Alle Pläne sind hinüber, alle Träume geplatzt.

Rückblende II: 5. Juli 2015, zwei Tage nach ihrem 31. Geburtstag. Ein richtig heißer Sonntag. Wir sitzen im Stadion des Kaiserslauterer Schulzentrums und lassen die Füße im Wassergraben baumeln. Gadschiew ist gerade mit 4,10 Meter Zweite bei den süddeutschen Meisterschaften geworden. Eine Medaille mehr in der Sammlung der LAZ-Springerin, aber diese Medaille stimmt sie nicht glücklich und zufrieden.

Schon im Winter war sie zurückgekommen. „Ich hatte versucht, so kurz wie möglich weg zu sein“, sagt sie einerseits, „aber ich kannte eine so lange Pause bis dahin nicht“, sagt sie andererseits. In diesem Zwiespalt spielte sich ihr Comeback-Versuch ab.

Kristina Gadschiew ist eine sehr kluge, sehr offene und feinfühlige junge Frau. Eine Sportlerin durch und durch. Ehrgeizig, fair und eigentlich immer mit Spaß bei der Sache. Stabhochsprung ist zu einem wichtigen Teil ihres Lebens geworden, wenn auch erst im zweiten Anlauf, denn sie war einmal, vor vielen vielen Jahren, weg aus der Szene. Aber sie kam wieder. Vielleicht besser als erwartet.

2007 holte die damalige Sport- und Chemie-Studentin Silber bei der Universiade in Bangkok, 2009 war sie bei der Hallen-EM in Turin Fünfte, dann belegte bei drei Weltmeisterschaften nacheinander, in Berlin, Daegu und Moskau, jeweils zehnte Plätze. Ihre Bestleistungen stehen bei 4,61 Meter (Freiluft) und 4,66 Meter (Halle). 2011 holte sie Bronze bei der Hallen-EM in Paris, 2013 gewann sie in der Dortmunder Halle ihren einzigen Deutschen Meistertitel.

Diese Aufzählung klingt jetzt fast schon so wie eine vorzeitige Karrierebilanz. Nein, nein, sagt Gadschiew bestimmt, von einer Verletzung möchte sie sich ihr Karriereende nicht diktieren lassen. Sie sagte immer schon: „Bis 2016 mache ich weiter“. Denn dann stehen noch einmal die Olympischen Spiele an, ein Ereignis, das sie nur aus dem Fernsehen kennt. Rio 2016? – sie weiß um die Schwere dieser Aufgabe, aber Aufgeben gilt nicht.

Probleme und offene Fragen indes gibt’s genügend. Erstens: In der Verletzungspause ist ihr das Gefühl fürs Springen verloren gegangen. Zweitens: Sie hat in der Tat Angst, dass die Sehne wieder reißt. Nicht die lädierte, nein, die andere, denn, so sagt sie: „Das passiert oft“. Und drittens: Nach dem abgeschlossenen Studium geht es auch um ihr Referendariat. Wo und wann? Parallel zum Comeback oder doch nochmal verschieben zugunsten der minimalen Chance auf Rio? Immer wieder meint sie: „Sag’ du mir, was richtig oder falsch ist“. Aber das kann ihr keiner sagen. Diesen Weg muss sie alleine gehen, die Antwort alleine finden. Gestern, eine Woche vor der deutschen Meisterschaft in Nürnberg, hat sie die Saison abgebrochen. Sie wird neu aufbauen. Neu angreifen.

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
05.–21.08.2016 Olympische Sommerspiele 2016 Rio de Janeiro (Brasilien)