Mit seinem WM-Titel 2013 sorgte Stabhochspringer Raphael Holzdeppe für eine Sensation. Danach fiel der 25-Jährige in ein Leistungsloch, 2014 erwies sich als Seuchenjahr. Heute tritt der Pfälzer bei der Team-EM im russischen Tscheboksary erstmals wieder im Trikot der Nationalmannschaft an. Ein Gespräch über die Rückkehr in die Weltklasse, die Rivalität mit Überflieger Renaud Lavillenie und seine Ziele.

Herr Holzdeppe, was macht Ihre Motorradkarriere?

Wenn es das Wetter zulässt, fahre ich sehr gerne mit dem Motorrad ins Training. Ich bin immer noch begeisterter Motorradfahrer.

In Ihrer Karriere als Stabhochspringer haben Sie in diesem Frühsommer auch wieder Gas gegeben und sind jetzt erstmals für die Team-EM nominiert. Wie wichtig war es Ihnen, diese Veranstaltung in der Vita zu haben?

Das ist mir sehr wichtig. Es ist für mich mal wieder ein Wettkampf im Nationaltrikot. In den letzten Jahren ist immer etwas dazwischengekommen, deswegen bin ich umso glücklicher, dass es endlich geklappt hat, bei der Team-EM starten zu dürfen.

An Russland haben Sie ja gute Erinnerungen.

Stimmt. Das letzte Mal, als ich in Russland war, ist wirklich alles nach Plan gelaufen bei der WM 2013 – mit dem Titel.

Was steht jetzt auf dem Plan?

Es geht in erster Linie darum, möglichst viele Punkte für das Nationalteam zu sammeln, um vielleicht den Titel von Braunschweig aus dem vergangenen Jahr verteidigen zu können.

Welche Höhe haben Sie sich zum Ziel gesetzt?

Ich habe mir am Anfang der Saison vorgenommen, konstant zwischen 5,70 und 5,80 Meter zu springen in den ersten Wettkämpfen, um mich dann weiter zu steigern. In die Region von 5,80 Meter wie vor drei Wochen in Eugene wieder zu kommen, ist auch das Ziel für die Team-EM. Wenn das gelingen sollte, stellt sich die Frage: Wie viele Leute sind noch dabei und wie sieht die Bilanz meiner Fehlversuche aus? Nach dem vierten Fehlversuch ist nämlich Schluss.

Renaud Lavillenie ist auch am Start. Wie realistisch ist es, den Weltrekordler aus Frankreich zu schlagen?

Jeder Wettkampf ist etwas Neues. Er ist in einer sehr guten Form, muss er auch sein, um 6,05 Meter springen zu können. Aber in Rom haben 5,90 Meter zum Sieg gereicht und in Amerika hat er seine erste Niederlage einstecken müssen. Er ist der große Favorit. Aber unschlagbar ist niemand.

Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zu Lavillenie?

Gut. Im Wettkampf ist natürlich jeder auf sich fixiert, jeder versucht, den anderen auszustechen. Aber wir Stabhochspringer sind so etwas wie eine große Familie, da wir zusammen durch die Welt reisen.

Bei der WM in Peking im August sind Sie Titelverteidiger, Lavillenie ist Weltrekordler: Wer ist Jäger und wer Gejagter?

(lacht) Ja, das ist im Moment noch schwierig zu sagen. Wir sind irgendwie beide Jäger und Gejagter. Mir will jeder den Titel abnehmen, er ist derjenige, von dem alle erwarten, dass er zum ersten Mal in seiner Karriere Weltmeister wird. Mit seinem Weltrekord vor zwei Jahren ist Lavillenie der erste Anwärter auf Gold, deswegen hat er vielleicht ein bisschen mehr Druck als ich. Zumal mein letztes Jahr nicht gerade überragend gewesen ist. Er gilt als großer Favorit. Aber bis Peking sind noch zwei Monate Zeit. Man kann sich verletzen oder noch einen Leistungssprung machen. Wer um die Medaillen mitspringen wird, sehen wir im August.

Mit Ihrer Wildcard für die WM haben Sie schon mal den Druck weg, sich gegen die deutschen Konkurrenten durchsetzen zu müssen.

Natürlich macht das die Trainingsgestaltung viel einfacher, wenn man sich nur auf die Weltmeisterschaften konzentrieren kann und der Druck wegfällt, vorher den Normwert erfüllen und sich bei den deutschen Meisterschaften gut präsentieren zu müssen. Aber trotzdem will ich natürlich in jedem Wettkampf das Maximale erreichen. Im Wettkampf ist der Druck natürlich da, aber es ist eben ein anderer.

Wie überzeugt waren Sie nach der auch mental schweren letzten Saison, dass Sie zu alter Stärke zurückfinden?

Es ist einfach frustrierend, es immer wieder zu versuchen und stets durch neue Verletzungen zurückgeworfen zu werden. So war es auch im letzten Jahr, als ich mich entschieden habe, die Saison abzubrechen. Ich habe einige Zeit gebraucht, um darüber hinwegzukommen, weil ich mir große Ziele gesteckt hatte für die EM. Aber nachdem ich das alles verarbeitet hatte, bin ich motivierter als jemals zuvor ins Training wieder eingestiegen. Es lief ab dem Zeitpunkt dann auch so gut wie lange nicht mehr.

Welche Rolle hat beim Neustart die Rückkehr in die Heimat und zu ihrem früheren Trainer Andrei Tivontchik gespielt?

Es hat alles einfach gepasst. Mit Andrei habe ich schon seit 2004 zusammengearbeitet – mit Ausnahme der zwei Jahre, in denen ich in München war. Er kennt mich als Person perfekt, ich kenne ihn als Trainer perfekt. Ich denke, wir haben ganz gute Arbeit geleistet. In der noch jungen Saison kann ich zufrieden sein mit meinem Leistungsniveau.

Gibt es einen Hauptgrund, warum es jetzt wieder läuft?

Dass ich mich in der Vorbereitung nicht verletzt habe. Ich konnte von Oktober bis Ende der Hallensaison durchtrainieren und umsetzen, was wir uns vorgenommen haben.

Welche Rolle spielt es, dass Sie in Saarbrücken mit Ihrer Freundin zusammenleben, der Weitspringerin Sosthene Moguenara, die auch für die TeamEM nominiert ist?

Wir sind glücklich miteinander. Es tut gut, eine funktionierende Beziehung und ein funktionierendes Umfeld zu haben. Wir versuchen, möglichst viel Zeit miteinander zu verbringen. Da ist es dann natürlich super schön, wenn man auch gemeinsam zu Wettkämpfen reisen kann.

Titelfaust – Raphael Holzdeppe nach seinem Siegersprung bei der WM in Moskau 2013.
Titelfaust – Raphael Holzdeppe nach seinem Siegersprung bei der WM in Moskau 2013. (Archivfoto: kunz)

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
20.–21.06.2015 Team-Europameisterschaften 2015 Cheboksary (Russland)