Jockgrim. „I’m very, very happy“, jodelte Shawn Barber am Mittwoch gegen 23 Uhr. In der rechten Hand hielt er stolz den RHEINPFALZ-Pokal, in der linken noch stolzer ein übergroßes Weizenbierglas mit einem dunklen Hoepfner. Glücklich waren an diesem Abend alle im Jockgrimer Stadion – die 3500 Zuschauer, die Athleten, die Sponsoren und der Chef Gunther Hellmann.

Der 21-jährige kanadische Rotschopf legte seine Siegeshöhe 5,83 Meter im dritten Versuch vor, Weltmeister Raphael Holzdeppe (25) konterte unmittelbar, der erlösende Jubel der Fans fegte wie Donnerhall durch die Nacht. Aufgrund der größeren Anzahl von Fehlversuchen wurde Holzdeppe „nur“ Zweiter. Er stieg erst bei 5,70 Meter ein, da wechselte der Tag gerade langsam in die Nacht und die Lichtverhältnisse waren gewöhnungsbedürftig geworden. Mit den drei Fehlversuchen über 5,93 Meter ist der Pfälzer insgesamt zwölf Mal angelaufen, Barber nur neun Mal.

„Ich hätte mir weniger Versuche gewünscht, aber ich bin total zufrieden mit mir heute“, meinte der Zweibrücker. Er steht mitten im Training und der Vorbereitung auf den 24. August, den Tag seiner Titelverteidigung im „Vogelnest“ in Peking. „Ich war ein bisschen platt heute, hatte viel trainiert, aber mit Eurer Hilfe hat’s ganz gut funktioniert“, rief er dem fantastischen und so dankbaren Publikum zu. Es schien eingetroffen, was der glänzend aufgelegte Moderator Michael Werling anfangs mutmaßte: „Wir freuen uns heut’ ein Loch in den Bauch.“ Ein völlig gelöster „Raffi“ nahm sich dann sehr viel Zeit für Autogramme und Selfies, sein Coach Andrei Tivontchik meinte: „Das war ein Riesenwettkampf heute.“

Nur einer ist in den 20 Jahren, seit es das Stabhochsprung-Meeting gibt, höher gesprungen: Brad Walker 2006 über 6,00 Meter. Diese Höhe hatten sich sicher viele Zuschauer gewünscht, dazu kam es nicht, das sparten sich die Stars für Peking auf. Die 5,83 Meter aber waren die zweithöchste Siegeshöhe, der Pole Piotr Lisek rundete mit 5,77 Meter den besten Wettkampf in der Jockgrimer Geschichte ab.

Zumal im Frauenfeld der Meetingrekord von Silke Spiegelburg (4,65 m) fiel. Yarisley Silva übersprang erst 4,67 und dann 4,72 Meter. Die 28 Jahre alte Kubanerin war bei ihrem Antrittsbesuch in der Pfalz von den Socken. „Eine solche Atmosphäre bei einem Meeting habe ich noch nicht erlebt“, sagte sie, ohne schmeicheln zu wollen. Christof Kelzenberg, der Meetingdirektor von Beckum, wo Silva drei Tage zuvor 4,91 Meter überflogen hatte, meinte: „Da hat sie recht, und ich kenne die Meetings ja alle.“ Toronto, Stockholm, Beckum, Jockgrim – so lautete zuletzt die Reiseroute der Kubanerin, die überall den Sieg mitnahm, und ihrem Trainer Naras Paez Alexandre. Nach dem Hallen-WM-Titel von Sopot 2014 soll nun auch der Freilufttitel in Peking her.

Aber nirgendwo gab es so etwas Feines zu nippen wie in Jockgrim. Auch sie trug ein volles Weizenbierglas spazieren, gefüllt mit einem hellen Bier. Sie nippte und zog und nippte, und manch einer wunderte sich, wie sorglos sie das tat.

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
04.–05.08.2015 Stabhochsprung-Meeting Jockgrim 2015 Jockgrim (Deutschland)