„Was passiert, passiert“
Interview: Seit fünf Monaten hatte Stabhochspringer Nico Fremgen inzwischen keinen Wettkampf mehr. Am Sonntag startet der 24-jährige Sportler des LAZ Zweibrücken nun in einem kleinen illustren Sechser-Teilnehmerfeld bei den 68. deutschen Hallenmeisterschaften in Dortmund. Die Vorbereitung auf das Top-Ereignis gestaltete sich mehr als schwierig. Da sind seine Erwartungen nicht allzu hochgeschraubt.
Herr Fremgen, seit mittlerweile fünf Monaten sind Sie nun nicht mehr in einem Wettkampf gesprungen. Mit welchem Gefühl gehen Sie dann jetzt in eine solche Veranstaltung?
Der Deutsche Leichtathletik-Verband wollte die Meisterschaft nicht nur für Profis öffnen. Ich bin mit meiner Höhe – 5,20 Meter vom August 2020 in Landau – da nachgerutscht, das war mein bislang letzter Wettkampf. Sonst wären wohl nur die üblichen „verdächtigen Banditen“ (lacht) wie Bo Kanda Lita Baehre, Torben Blech oder Oleg Zernikel am Start gewesen. Keine Frage: Das ist ein Sprung ins kalte Wasser, und es wird schwierig werden, den Wettkampfrhythmus zu finden.
Wie sah Ihr Training der letzten Wochen vor der Hallen-DM aus?
Gesprungen bin ich gar nicht. Ich bin Zeitsoldat, kein Semi- oder Vollprofi. Und ich gehöre nicht mehr dem Landeskader an, der ja weiter trainieren durfte. Dafür bin ich mittlerweile ein Jahr zu alt. Dass ich in der LAZ-Halle nichts machen durfte, kann ich dabei ja noch nachvollziehen. Aber dass auch draußen im Stadion nichts ging, verstehe ich nicht. Das schlechte Wetter hätte mich auch gar nicht gestört. Ich bin ein Mann der Infanterie, das bin ich gewohnt (lacht).
Sie starten tatsächlich ohne Sprungtraining bei einer deutschen Meisterschaft?
Ja. Im Sommer habe ich noch oft mit Raphael Holzdeppe und Oleg Zernikel in der Trainingsgruppe von Andrei Tivontchik mittrainiert. Das war ein guter Anreiz. Seit dem Lockdown habe ich dann rund um Fischbach, wo ich seit einem Jahr wohne, im Wald ganz viel improvisiert. Und mit meinem Coach beim LAZ Zweibrücken, Alexander Gakstädter, habe ich mich auch mal auf einem Feldweg getroffen, um den Stab wieder in die Hand zu nehmen.
Die Hallen-DM in diesen Corona-Zeiten ist auch sonst sehr ungewöhnlich.
Ich bin am Donnerstag aus dem Homeoffice extra in die Niederauerbach-Kaserne nach Zweibrücken gefahren, um beim Truppenarzt einen Abstrich machen zu lassen. Alle Athleten müssen nämlich einen negativen Corona-Test nach Dortmund mitbringen. Am Sonntag muss ich schon drei Stunden vor dem Wettkampf ab 14 Uhr da sein, da wird dann noch auf dem Parkplatz ein Schnelltest gemacht.
Homeoffice als Soldat? Wie muss man sich denn das vorstellen?
In der Kaserne haben wir zurzeit eine Drittel-Regelung in der Schichteinteilung. Das heißt, ein Drittel der Soldaten pro Kampfzug ist da, aber eben so wenig Leute wie möglich. Einige helfen ja auch bei der Corona-Teststation. In meiner Funktion als Ausbilder bereite ich dann zu Hause Powerpoint-Präsentationen für die Ausbildung oder für Lehrgänge vor. Ich bin jetzt seit vier Jahren bei der Bundeswehr und mit meiner eigenen Ausbildung fast fertig. Dann hab’ ich noch zwölf Jahre als Zeitsoldat vor mir.
Stichwort Voraussage: Sie als begeisterter Ex-Football-Spieler lagen Anfang des Monats mit ihrem Sieger-Tipp Tampa Bay Buccaneers im SuperBowl goldrichtig. Haben Sie bis zum Ende vor dem Fernseher durchgehalten, um zu überprüfen, ob ihre Vorhersage stimmt?
Nee, ich hab’s wie viele nicht fertig geschaut. Normalerweise fiebere ich ja bei jedem Football-Spiel mit, beim Super-Bowl erst recht. Aber meine Freundin musste zur Arbeit, und da bin ich zur Halbzeit und dem deutlichen Vorsprung für Tampa Bay auch ins Bett.
Bezogen auf den Stabhochsprung jetzt am Wochenende: Wie sieht da Ihre Prognose und Ihr Ziel aus?
Ich bin einfach froh, mal wieder einen Wettkampf zu haben. Das ist ja schon ein Privileg. Ich habe mir keine bestimmte Höhe und keine Norm vorgenommen. Was passiert, passiert.
Um welche Normen könnte es für Sie derzeit gehen?
Die 5,72 Meter für die Hallen-EM im März in Torun/Polen oder die 5,80 Meter für Olympia sind für mich zu weit weg, um sich das vornehmen. Die 5,60 Meter für den B-Kader sind da eher das zunächst Greifbare. Für die Military Games 2023 in Kolumbien braucht mal wohl auch 5,50 oder 5,60 Meter.
Was für eine Anfangshöhe wählen Sie denn, wenn Sie am Sonntag erstmals wieder in einem Wettkampf zum Stab greifen?
Die Einstiegshöhe bei der Hallen-DM ist mit 4,92 Meter ja vorgeschrieben, danach geht’s schon bei 5,22 Meter weiter. Ich nehme alles mit, was geht (lacht). Ich denke, die erste Höhe springe ich sicher, dann muss ich mich reingrooven. Ich muss halt das Wettkampfgefühl aus dem August in Landau mitnehmen. Aber da muss ich schon tief in mir graben, um es noch mal zu finden (lacht wieder).
Zugehörige Wettkämpfe
Datum | Name | Ort |
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20.–21.02.2021 | Deutsche Hallenmeisterschaften 2021 | Dortmund (Deutschland) |
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