Freiheit ist ein großes Wort. Freiheit, Freiheit ist das Einzige, was zählt, singt Westernhagen. Zu viele Menschen auf dieser Welt sind zu wenig frei. Ich fühle mich zum Glück als freier Mensch, war zwar ein paar Tage in meinem Radius limitiert – jetzt kann ich’s genießen. Fremde dürfen nicht in Japan einreisen, aber ich kleiner Kullmann kann seit heute in Tokio tun und lassen, was ich will. Ich empfinde es als ein unfassbares Privileg. Es motiviert mental.

Einreisestempel im Reisepass vorgezeigt, Freifahrt-Ticket für Bahnen und U-Bahnen bekommen, ruck, zuck, und los ging’s. Auf der App der „Games Family“ die Strecke „MPC – Olympic Stadium“ eingegeben. Idiotensicher ist das. Maske auf und durch. Oberirdisch mit der Linie „Yurikamome“ über der Tokio-Bucht geschwebt, vorbei an der Freiheitsstatue, über die Regenbogenbrücke bis hin zur Endstation Shimbashi. 23 Minuten Sightseeing vom Feinsten. Blauer Himmel und so, die Bahn sauber und klimatisiert, die die Hälfte der gepflegten Menschen ist eingeschlafen oder daddelt. Plötzlich Urlaubsgefühl. Plötzlich Tokio. Das also ist Tokio. Grandios!

Laden an Laden. Herren-Hemden, Süßwaren, Elektronik. Ein Restaurant, zwei Japanerinnen, die mich ansprechen, kaum dass ich sitze. Sie schauen meine Akkreditierung an, fragen, woher ich komme und ob ich Reporter sei. Soulmusik. Ich esse Shrimps mit Ei auf Reis in Chilisoße. Gekonnt mit Stäbchen. Als ich 1210 Yen zahle, sehe ich – Achtung, bitte, bitte, nicht weitersagen – dass es ein Chinese war, Bikaen hieß er. Sorry, Pfälzer halt, auf die Schnelle habe ich das noch nicht raus mit der Schrift. Von Shimbashi unter der Erde mit der Linie Ginza weiter bis Gaiemmae. BMW-Square steht da oben dann. Hektische Betriebsamkeit. Ich mache Halt bei Starbucks, und mir fällt ein, wie ich bei der Leichtathletik-WM 2007 in Osaka (Frau Merkel gratulierte damals Betty Heidler für Hammer-Gold persönlich) die Nächte bei Starbucks verbrachte. Im Family-Mart noch eine Dose Bier. Ja doch, zur Freiheit gehört auch, den Not leidenden Kalorienspeicher aufzuladen.

Ein paar Minuten sind’s bis zum Stadion, wo heute Gesa Krause läuft. Vorbei an einer High School, am Baseball-Stadion Meiji-Jingu Yakyujo, am Rugbystadion Prinz Chichibu. Unweigerlich fallen mir meine Kollegen Christian Gaier und Norbert Schick ein, die zurzeit daheim meine Texte redigieren. Heiß gemacht haben sie mich auf Tokio, weil sie selbst gerade da waren. Norbert, Schulfreund aus der Melm, 2019 bei der Rugby-WM. Er ist einer der wenigen Journalisten weltweit, die alle Weltmeisterschaften seit 1987 (!) live verfolgten. Er hatte mir seine Reste und viel Glück mitgegeben. Telefonkarte, U-Bahn-Ticket, Kleingeld. Norbert, der Chinese geht auf dich!

Zugehörige Wettkämpfe

Datum Name Ort
23.07.–08.08.2021 Olympische Sommerspiele 2020 Tokio (Japan)